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125 Jahre Hannover 96

Unrunde Anfänge: Der Ball kommt nach dem Ei bei 96

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HANDSPIEL NOCH ERLAUBT: Dieses Foto stammt aus der Gründungszeit des Vereins. Die Stangen hinter der 96-Mannschaft zeigen, dass seinerzeit noch Rugby gespielt wurde. Repro

Wie wohl ohne Ferdinand Wilhelm Fricke alles gekommen wäre? Der stellvertretende Leiter der Bürgerschule Meterstraße in der Südstadt hatte gleich doppelt Einfluss auf die Gründung von Hannover 96 sowie den Beginn seiner mittlerweile 125 Jahre währenden Fußballgeschichte. Der Hannoveraner Fricke lebte von 1863 bis 1927, nach ihm wurde im Jahr 1957 die Straße zwischen Stadionbrücke und Papageienbrücke benannt, die einen großzügigen Bogen um die Südkurve des Niedersachsenstadions schlägt. Der Rugbypionier hatte schon bei der Grundsteinlegung mehrerer anderer hannoverscher Sportklubs (darunter Schwalbe Döhren und Eintracht Hannover) tatkräftig mitgewirkt. Nun hatte Fricke auch seine Hände mit im Spiel, als im April 1896 in der Woche nach dem Osterfest einige Bürgerschüler ein Rugbymatch mit anschließender Vereinsgründung planten. Am 12. April entstand auf diese Weise der Hannoversche Fußball-Club von 1896 e.V. (HFC 1896). Erster Vereinsvorsitzender wurde ein gewisser Herr Vogeler, von dessen Vornamen lediglich bekannt ist, dass er mit dem Buchstaben F begann.

Ein Lehrer aus der Südstadt spielt als Rugbypionier die Hauptrolle bei der Gründung. Der Fussball rollt ab 1903, die erste Pleite gegen Braunschweig gibt es 1905.

Die Premierengäste stammen aus Bremen

Trotz des Vereinsnamens wurde zunächst vor allem Rugby gespielt. Das Ei (oder wie es genau genommen heißt: das Rotationsellipsoid) stand jedoch bei 96 nur für kurze Zeit im Mittelpunkt, ehe es zügig durch eine Lederkugel namens Fußball ersetzt wurde. Ein oder zwei Jahre nach der Gründung – diesbezüglich finden sich in der Literatur unterschiedliche Angaben – kam es zur ersten Partie gegen eine Mannschaft, die nicht in Hannover beheimatet war. Zuvor hatte man sich mit Duellen innerhalb der Stadtgrenzen die Zeit vertrieben, nun empfing 96 den Bremer Football Club. Ob nun erst 1898 (wie Hardy Grüne in „Rote Liebe – Die Geschichte von Hannover 96“ beschreibt) oder schon zwölf Monate zuvor (Lorenz Peiffer und Gunter A. Pilz: „Das Wunder aus Hannover“), unstrittig ist, dass noch Rugby gespielt wurde, demnach also auch die Hände benutzt werden durften.

Dass es nicht bis heute bei Hannover 96 zu Gedränge, Gassen und Paketen kommt, ist der Tatsache geschuldet, dass sich schnell eine Strömung innerhalb des Vereins entwickelte, die sich eher in Richtung Fußball orientierte. 1899 war der HFC 96 zwar hannoverscher Rugbystadtmeister geworden, doch noch im Dezember desselben Jahres trat eine Mannschaft des Klubs zur 96-Fußballpremiere an. Gegner war der ARBV Hannover, der sich später komplett dem Rudersport verschrieb und aus dem die heutige Rudergemeinschaft Angaria erwuchs. Die klubinterne Diskussion „Fußball oder Rugby“ war in vollem Gange – und gipfelte fast auf den Tag fünf Jahre nach der HFC-Gründung in einer Abstimmung, bei der sich mehr als 80 Prozent der anwesenden Mitglieder zugunsten des Fußballs entschieden.

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Half mit Rat und Ball: Der Lehrer Ferdinand Wilhelm Fricke. Archiv

Handspiel war von nun an verpönt, 96 entwickelte sich immer mehr zum Fußballverein. 1903 begann die erste Fußballsaison der Vereinsgeschichte im Verband hannoverscher Ballspielvereine (VHBV). Nur zwei Jahre später qualifizierten sich die 96er als Stadtmeister erstmalig für die Endrunde um die deutsche Meisterschaft. Das dortige Aus gegen Eintracht Braunschweig (2:3 nach Verlängerung) war allerdings der Beginn einer unschönen Serie, kam doch auch in allen Folgespielzeiten, in denen man als Stadtmeister um die norddeutsche Meisterschaft spielen konnte (1906 bis 1908 sowie 1910 und 1911) der Knock-out stets gegen den Rivalen aus dem nahen Osten. In den Jahren 1909 und 1912 störte eine andere Eintracht – wenn auch aus der eigenen Stadt: Der FC Eintracht Hannover ließ 96 bereits in der Hannover-Runde hinter sich.

Heutiger Name erst nach Zusammenschluss

Mit anderem Namen und in neuer Konstellation versuchte man es schließlich ab Juli 1913. Mit dem BV Hannovera 1898, der aufgrund eines Kasernenbaus auf seinem bisherigen Areal heimatlos geworden war und deshalb einen Partner suchte, fusionierte 96 zum Hannoverschen Sport-Verein von 1896 e. V. Frisch vereint und neu gestärkt, ging es vielversprechend los. Gleich mit 15 Mannschaften startete der HSV von 1896 in die Saison 1913/1914 – und die Braunschweiger Eintracht wurde endlich und dann auch gleich standesgemäß mit 7:0 bezwungen. Der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918) beendete den beginnenden Aufschwung, danach musste 96 erst einmal wieder in Tritt kommen. 1920 und dann erst ab 1926/1927 kickten die Hannoveraner wieder regelmäßig um die norddeutsche Meisterschaft mit. Als sich die Mannschaft zu Beginn der 30er-Jahre allerdings nach und nach weiter nach unten orientieren musste, wurde im Mai 1932 mit Robert Fuchs ein hauptamtlicher Trainer verpflichtet. Und mit ihm begann eine neue, erfolgreiche Ära bei 96.

Bleibt noch die zweite gute Tat Ferdinand Wilhelm Frickes im Hinblick auf die ganz frühe Entwicklung bei 96 aufzuklären. Sie klingt zunächst vielleicht wie eine Banalität, doch manchmal sind genau diese diejenigen mit der größten Wirkung: Da der frisch aus dem Ei geschlüpfte Verein noch keine eigene Ausrüstung besaß, lieh Fricke ihm kurzerhand einen Ball. Und ohne den wäre es fürwahr ziemlich schwierig geworden. Ole Rottmann