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Mehr [wennigsen] als sie denken

Friseurmeisterin Iris Cotta aus Wennigsen: „Der Anrufbeantworter hat irgendwann gestreikt“

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Am 1. März öffnet Iris Cotta ihr Friseurgeschäft wieder.

Ab dem 1. März dürfen Friseure wieder öffnen. Große Erleichterung bei allen Inhabern, aber auch bei den Kunden, die nicht länger auf einen gepflegten Haarschnitt warten müssen. Iris Cotta, die ihr Geschäft seit 2003 in Wennigsen an der Degerser Straße betreibt, ist wie ihre Berufskolleginnen und Kollegen „überaus glücklich“, dass es nun endlich weitergeht.Im Interview mit Axel Emmert, Mitarbeiter der Calenberger Zeitung, schildert sie ihre Situation.Wie groß war der Stein, der Ihnen vom Herzen gefallen ist, als sie gehört haben, dass Sie am 1. März wieder öffnen dürfen?Es fühlte sich an wie ein Riesenfindling, der heruntergekracht ist.

Friseurmeisterin spricht im Interview über Wiedereröffnung am 1. März, den zweiten Lockdown und ihren Brief an Stephan Weil

Was ist danach passiert?

Es begann der reine Wahnsinn. Ich würde es als liebevollen Telefonterror bezeichnen. Der Anrufbeantworter hat irgendwann gestreikt, mein Handy drohte mir am Ohr festzukleben und die elektronischen Nachrichten über Whatsapp und E-Mail waren kaum noch abzuarbeiten. Aber dennoch bin ich überglücklich, dass meine Mitarbeiterinnen und ich wieder arbeiten dürfen. Es fühlt sich großartig an.

Sind also alle Kunden glücklich?

Nein, es gab leider auch einige Anrufer, die unverschämt waren, weil sie nicht sofort ihren Wunschtermin bekommen haben. So sagte mir eine Anruferin, dass ich doch dann früher aufstehen und abends länger arbeiten solle. Ich hätte doch die letzten sieben Wochen Urlaub gehabt, da könnte ich doch wohl mal einen Zahn zulegen. Das hat mich schon sehr betroffen gemacht, denn wir arbeiten ab dem 1. März schon aus Eigeninteresse weit mehr als an normalen Tagen, um allen Terminwünschen gerecht zu werden.

Wie haben Sie die letzten Wochen seit dem Lockdown erlebt?

Ich habe quasi acht Wochen keinerlei Umsätze gemacht und auch keine staatliche Hilfe bekommen. Erst jetzt, vor wenigen Tagen, konnte ich einen Antrag für das sogenannte Überbrückungsgeld III stellen, aber auch das wird nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein.

Wie reagieren Ihre Kunden?

Ich war zum Teil zu Tränen gerührt. Ich habe so viele wundervolle Nachrichten bekommen. Und nicht nur mit der Frage, wie es mit dem Laden weitergeht, sondern auch direkt, wie es mir persönlich geht. Dafür möchte ich mich noch einmal ganz besonders bedanken.

Wie hoch waren die Umsatzrückgänge in 2020?

100-prozentig kann ich das noch nicht sagen, aber ich denke, dass es so an die 30 bis 40 Prozent weniger waren als im Vergleich zuvor.

Was ist Ihre Meinung in Bezug auf den zweiten Lockdown?

Allein in unserer Branche hat die Not vieler Friseure dazu geführt, dass die Schwarzarbeit Blüten getrieben hat. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie oft auch ich angerufen, aber auch direkt angesprochen wurde, warum ich nicht hier und da eine Ausnahme machen kann, um zum Kunden nach Hause zu kommen oder Kunde heimlich zu mir in den Laden. Und wenn ich das abgelehnt habe, dann wurde ich nicht selten dafür kritisiert.

Und was ist noch schiefgelaufen?

Fast alles. Ich denke, dass nach dem Lockdown Anfang des vergangenen Jahres die Zeit hätte genutzt werden müssen, um unser Gesundheitssystem auf eine weitere Pandemiewelle vorzubereiten. Dass die kommen würde, wussten die Politiker. Stattdessen haben alle im Sommer gedacht, das war’s jetzt. Doch das war ein Trugschluss. Ich habe einen Brief an Ministerpräsident Stephan Weil geschrieben.

Was hat er geantwortet?

Ich glaube, dass die Antwort ein vorgefertigter Brief war, der so sicherlich häufiger als Antwort verschickt wurde. Da standhalt etwas von „Verständnis haben“ etc. drin, also alles das, was man Tag für Tag in den Nachrichten hört und sieht.

Wie geht es weiter?

Wenn ich am 1. März wieder öffnen darf, dann sind wir schon am Limit, was die Vergabe von Terminen angeht. Es darf sich ja pro Arbeitsplatz nur ein Kunde bei uns aufhalten. Warten auf den nächsten freien Stuhl geht im Geschäft nicht. Wir müssen die Tür von innen verschließen, sodass wir immer nur einen Kunden nach dem anderen einlassen dürfen – immer zu vorher exakt abgestimmten Terminen. Sogenannte Laufkundschaft können wir quasi nicht berücksichtigen.

Der 1. März ist doch aber auch ein ganz besonderer Termin – oder?

Oh ja! Es ist quasi der Geburtstag meiner Selbstständigkeit: Am 1. März 2003 habe ich von Ines Graune das Geschäft übernommen. Passender könnte also eine Geburtstagsfeier gar nicht sein, als wie die zeitgleiche Öffnung nach einem wirklich sehr harten Lockdown – ich hoffe, dass diesbezüglich ein altes Sprichwort nicht gilt.

Und das wäre?

Aller guten Dinge sind – hoffentlich nicht – drei.