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Wohnungsneubau in Hannover: Viele Fragen offen

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Was kommt an Neubauten nach, wenn Baugebiete wie Kronsrode Mitte fertiggestellt sind? Foto: Olaf Mahlstedt

"Hannover - wachsende Stadt": In vielen Wohngebieten drehen sich Kräne - doch wie lange noch? Hohe Zinsen und Baukosten machen Projekte unrentabel / Und dann ist da noch Energieversorgung

Die gute Nachricht vorweg: Die Landeshauptstadt übertrifft ihre Ziele beim Wohnungsneubau. Das Wohnungskonzept der Stadt sah 12.300 neue Einheiten bis 2025 vor. Nun werdenes 15.900 sein, von denen 7300 im Bau sind oder kurz vor Baubeginn stehen. Dennoch bleibt der Bedarf hoch. „Hannover ist eine wachsende Stadt“, sagt Stadtbaurat Thomas Vielhaber. So plant Hannover in der aktuellen Fortschreibung des Wohnkonzepts weitere 16.800 Wohnungen bis 2035.

Die Voraussetzungen für einen solchen Zuwachs sind allerdings nicht gerade günstig: Zum einen wird es immer schwieriger, passenden Baugrund zu finden. Das von der Stadt beauftragte ALP-Institut für Wohnen und Stadtentwicklung erkennt Potenziale für rund 12.000 Einheiten unter anderem in weiteren Bauabschnitten auf dem Kronsberg (Ecovillage Hannover) und in Limmer (Wasserstadt), an der Fuhsestraße (Weichenviertel) sowie in Bothfeld (Kastanienpark). Die Differenz von 4800 Wohneinheiten könnte durch den Ausbau von Dachgeschossen sowie den Ersatz von Alt-durch größere Neubauten gedeckt werden.

Zum anderen, und das ist noch gravierender, sind die wirtschaftlichen Vorraussetzungen für Neubauten denkbar ungünstig: Eine Vervierfachung der Bauzinsen binnen 18 Monaten, gestiegene Bau- und Energiekosten sowie angespannte Budgets von Käufern und Mietern verunsichern Projektentwickler wie Bestandshalter und dämpfen die Investitionslaune. So lässt das kommunale Wohnungsunternehmen KSG Hannover ein Neubauprogramm mit 700 Wohnungen in Hannover, Burgdorf und Ronnenberg-Empelde vorerst ruhen. Der BFW Landesverband Niedersachsen/Bremen, der mittelständische Bauträger, Projektentwickler und Wohnungsunternehmen vertritt, berichtet von Umsatzeinbrüchen seiner Mitglieder von 80 Prozent und mehr.

Foto: BFW
Foto: BFW
"Im Geschosswohnungsbau rechnen wir derzeit mit einer Kaltmiete von 26 Euro pro Quadratmeter bei Erstvermietung."

David Jacob Huber, Geschäftsführer, BFW Landesverband Niedersachsen/Bremen

Die jüngsten Marktentwicklung machten viele Projekte unwirtschaftlich, sagt Landesverbandschef David Jacob Huber: „Im Geschosswohnungsbau rechnen wir derzeit mit einer Kaltmiete von 26 Euro pro Quadratmeter bei Erstvermietung.“ Zurzeit werden in Hannover in der Neuvermietung maximal 16,90 Euro erzielt. Trotz verbesserter Abschreibungsmöglichkeiten fürchtet Huber, dass unter diesen Rahmenbedingungen der Neubau „in allen Segmenten“ eingestellt werde. Da wirkt es wie ein Hoffnungsschimmer, wenn Unternehmen wie Delta Bau Grundstücke kaufen und Planungen vorbereiten - für bessere Zeiten.

Anforderungen herunterschrauben

Auch das Bau- und Wohnungsunternehmen Gundlach beschränkt sich darauf, Planungen weiterzutreiben und laufende Projekte zu Ende zu führen. „Insbesondere aufgrund der deutlich gestiegenen Zinsen und Baukosten gibt es bei den meisten Wohnungsunternehmen und Bauträgern keine neuen Starts“, beobachtet Geschäftsführer Frank Eretge. Damit sich Projekte auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen rechnen, sei es nötig, Vorschriften zurückzufahren. „Wir müssen zurück auf ein angemessenes Anforderungsniveau bei Schallschutz, Brandschutz, Gebäudetechnik und Ausstattung.“

2022 starteten dazu die Architektenkammer Niedersachsen, der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen (VDW) sowie das landeseigene Förderinstitut N-Bank das Modell projekt „Einfach gut“ unter Schirmherrschaft von Landesbauminister Olaf Lies. Ziel ist, zeitgemäße Wohnungen durch Verzicht auf überzogene Regelungen günstiger zu errichten. „Wir müssen vom technologischen Wahnsinn runter“, sagt Karl Heinz Range, Geschäftsführer der KSG Hannover.

Ganz oben auf der Wunschliste der Immobilienwirtschaft stehen Range zufolge einfachere und einheitliche Bauvorschriften in allen Bundesländern sowie eine bessere Planbarkeit: „Wir brauchen mehr Verlässlichkeit bei Förderungen und Gestaltung der Rahmenbedingungen für Investitionen.“ Zuletzt hat sich die Bundesregierung auf geringere Klimaschutzauflagen für Wohngebäude geeinigt. So wird die verbindliche Einführung des EH-40-Standards bei Neubauten ab 2025 ausgesetzt. Zugleich wird bei der Eigentumsförderung nachgebessert. Für Dirk Streicher, Vorstandsvorsitzender von Delta Bau, sind diese Beschlüsse aber nur ein erster Aufschlag: „Isoliert werden sie den Neubau nicht ankurbeln. Es braucht zusätzliche Maßnahmen der Länder und Kommunen.“

Wo kommt die Energie her?

Doch auch die Frage, wie Gebäude künftig mit Energie versorgt werden, treibt die Branche um. Denn solange in vielen Kommunen eine Wärmeplanung fehlt, wissen Investoren und Eigentümer nicht, wie sie Bestands- und Neubauten ausstatten sollen. Auch ist unklar, wie wirtschaftlich die verschiedenen Lösungen sind.

So stellen sich viele Fragen: Kommt Fernwärme? Und wann? Oder braucht es Wärmepumpen? Sind Nahwärmenetze, gespeist durch Blockheizkraftwerke, Geo- und Solarthermie, tragfähige Alternativen? „Es herrscht lähmende Ungewissheit“, resümiert Moritz Bittner vom Maklerunternehmen Engel & Völkers.

Laut Gebäudeenergiegesetz müssen Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern bis Ende 2026 einen kommunalen Wärmeplan aufstellen. Hannover hat dazu im Juli einen Entwurf vorgelegt, der auf die Fernwärmesatzung 2022 aufbaut - deren Umsetzung bei Immobilienexperte Bittner jedoch Fragen aufwirft: „In den Gebieten mit Anschlusspflicht bleibt der tatsächlich mögliche Anschlusstermin durch den Versorger für viele Anlieger weitgehend offen.“ Zudem fehlten Informationen über den jeweiligen Aufwand für die Umstellung.

Unklar sieht laut einer Umfrage es auch bei der Wärmeplanung in den 20 Umlandkommunen der Region aus, die ihren Wärmeplan bis Ende 2028 verabschieden müssen. Während Wunstorf, Neustadt und Langenhagen bereits Ausschreibungen für den Wärmeplan vorbereiten, bestätigen Kommunen wie Isernhagen, Lehrte und Seelze nur, die Frist einhalten zu wollen. Wieder andere halten sich bedeckt, darunter Barsinghausen, Ronnenberg und Wennigsen. Fest steht für BFW-Geschäftsführer Huber, dass Wohnen für viele in der Region teurer wird: „Die Angebotsmieten werden überall steigen.“ OLIVER ZÜCHNER