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125 Jahre Hannover 96

Michael Lorkowski lüftet die letzten Geheimnisse von Hannover 96

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Der Pott ist da: 96-Trainer Michael Lorkowski jubelt am 24. Mai 1992 auf dem Balkon des Neuen Rathauses in Hannover mit dem am Vortag gewonnenen Pokal. Rechts die Spieler Axel Sundermann und Michael Schönberg. Gut 50 000 Fans feierten auf dem Trammplatz und in der City. dpa

Wer Michael Lorkowski fast 30 Jahre nach dem Pokalsieg mit 96 per Handy erreichen will, landet immer noch im Funkloch. Falls sich der Erfolgstrainer von damals auf seinem Hof im schleswig-holsteinischen 400-Seelen-Örtchen Stubben aufhält. Hier wird mit Festnetznummer telefoniert. Lorkowski (inzwischen 65) hat das Haus 1983 gekauft – hier findet er Abstand und Entspannung. Wir haben mit dem Pokalhelden von 1992 gesprochen.

Der Pokalsieger-Trainer über Elfmeterschützen, das Genie Djelmas und sein Leben nach der Trainerkarriere

Was verbindet Sie noch mit 96?

Ich bin ja Ehrenmitglied in dem Fanklub Rote Teufel. Ganz viele erinnern sich noch an mich: Ich treffe Hannoveraner im Hauptbahnhof, die geben mir ein Bier aus. Bei Gosch gibt’s einen Verkäufer, der hat das Endspiel damals gesehen, da kriege ich ein Bier und ein Brötchen umsonst – das ist unglaublich.

Warum sind Sie im Oktober 1990 eigentlich bei 96 gelandet?

Ich hatte eigentlich keinen Bedarf, ich hatte in Norderstedt einen guten Job, wir waren Dritter in der 3. Liga. Und Hannover war schon damals sparsam, ich habe in Norderstedt mehr verdient als bei 96. Aber ich wollte in die 2. Liga zurück. Der damalige Manager Klaus-Dieter Schmidt hat mich dann vorgeschlagen beim Präsidium und gleichzeitig gesagt, dass er mit mir nicht klarkommt. Das war auch so. Damals waren Volker Finke, Willi Reimann und ich die Kandidaten. Mir hat mal ein schlauer Mensch gesagt, man soll bei Vorstellungsgesprächen möglichst als Letzter kommen. Und ich bin nach den beiden gekommen.

Sie sind 1992 Pokalsieger geworden, aber nicht aufgestiegen. Warum?

In der Winterpause 1991/92 habe ich gesagt, wenn ich noch einen Stürmer und einen Spielmacher bekomme, dann können wir aufsteigen. Da wurde mir gesagt: Nein, wir haben kein Geld. Wollitz und Heisig wollten kommen. Dann wären wir auch aufgestiegen.

Der Weg ins Pokalfinale führte über ein Elfmeterschießen gegen Bremen – Torwart Jörg Sievers wurde zum Helden. War das geplant?

Ich wusste ja nicht, dass ich noch einen nächsten Schützen brauche. Dann kam mir spontan die Idee: Wenn Sievers den jetzt reinschießt, dann hält er den nächsten. Weil er so motiviert ist, der Held zu werden. Dann bin ich zu ihm hingerannt und habe ihn gefragt. Er nickte nur, weil er so überrascht war. Hinterher hat er zu mir gesagt, er hätte gedacht, ich sei gekommen, um ihm zu sagen, dass er mal einen halten solle. (lacht) Eigentlich konnte Jörg keine Elfmeter schießen. Surmann sagte auch, ich sei bescheuert.

Hätte Sievers im Finale auch wieder geschossen, wenn es nötig gewesen wäre?

Ich glaube nicht, das war eine einmalige Geschichte. Ich weiß nur, dass im Finale kaum einer schießen wollte, außer Schönberg-Christensen. Ich hatte ja Mathias Kuhlmey noch zwei Minuten vor Schluss gebracht, damit er schießt. Dann sagt er, er schießt nicht. Ich sage: Du bist ein Idiot, ich habe dich doch deswegen eingewechselt.

Ihre Pokalsieger-Formel war: Die Mannschaft ist der Star.

Dieser Teamgeist war unsere Stärke. Heute fragen mich die Jugendlichen noch: Wer war denn dein bester Spieler? Ich sage dann immer: Die waren alle gleich, das war eine Mannschaft – so wie ihr das auch werden müsst. Euer Nebenmann ist wichtig, es gibt keine Stars.

Einen Star gab es doch: Milos Djelmas.

Der Mannschaftsrat kam vor einem Spiel gegen Meppen zu mir und sagte, sie möchten nicht mehr mit ihm zusammen trainieren. Die Mannschaft, in der Djelmas gespielt hat, die konnte nie gewinnen, weil er einfach nach hinten nichts gemacht hat. Er hatte keinen Bock. Training war für ihn völlig unwichtig, unter 7000 Zuschauern ist er gar nicht gelaufen, es war eine Katastrophe. Dann haben wir uns so geeinigt, dass er bis zum Pokalfinale nicht mehr spielt und trainiert – im Endspiel aber schon. Er ist dann zwei Wochen mit Eddy Kowalczuk um den Maschsee gelaufen – und hat im Endspiel aufgezogen wie Schmidts Katze.

Warum haben Sie 96 nach dem Pokalsieg verlassen und sind zurück zu St. Pauli?

96 wollte mit mir nicht verlängern, dann hätte ich auf der Straße gestanden.

Sie haben am Anfang Ihrer Trainerkarriere bei St. Pauli noch nebenbei als Surflehrer in Travemünde gearbeitet – und sind nach Ihrem Rauswurf 2000 in Osnabrück mit

Ihrem Schiff „Blaubart“ abgehauen. Heute würde man das als Burn-out bezeichnen. Ich war müde vom Fußball. Ich bin mit meinem Wohnmobil nach Gran Canaria, habe gesehen, dass man auch anders leben kann, bin zurück, habe meinen „Blaubart“ fertig gemacht und gedacht: Jetzt haust du erst mal zwei Jahre ab. Es ging über Travemünde, die Kanarischen Inseln und die Kapverden bis Barbados – dann bin ich auf Saint Lucia und Martinique geblieben. Ich bin für Hotels gefahren und habe Tagestörns gemacht. Ich habe gedacht, dass es einfacher werden wird, den Wiedereinstieg zu finden. Aber damals hat Horst Hrubesch schon im „Sportstudio“ gesagt: „Fahr nicht so lange weg, sonst kriegst du nie wieder ’nen Verein.“ Da hat er recht behalten.

Ihre letzten Trainerstationen waren Wolfenbüttel und Vorsfelde, Sie haben auch mal die C-Junioren des SV Eichede trainiert.

Die Eltern gingen mir auf den Keks, die waren überehrgeizig. Das war nicht meine Welt. Die Eltern rechnen immer die Spielzeiten aus. Da kam mal eine Mutter zu mir und hat mich gefragt, warum ich ihren Sohn ausgewechselt habe. Ich sagte: Weil der Präsident gesagt hat, ich soll jedes Spiel gewinnen – und mit ihrem Sohn geht das nicht. Meistens sind das ja die Mütter, die Väter haben teilweise sogar Ahnung vom Fußball, sie sehen, dass ihr Sohn das nicht schafft. Interview: JONAS FREIER