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E-Mobilität

Freude am Fahren und Rechnen

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UNTERWEGS LADEN: In die Planung einer längeren Fahrt mit dem E-Auto sollte die vorhandene Ladeinfrastruktur miteinbezogen werden. Foto: dpa-tmn/Sven Hoppe

Ein Elektroauto zu fahren – das ist beim ersten Mal wirklich ein komisches Gefühl. Für jemanden wie mich, der sich einst mit einem VW Polo erster Generation ins Straßengetümmel getraut hat, war das eine Autorevolution.Zwischen dem Polo damals und dem vollelektrischen Mini heute liegt gefühlt die gesamte neuere deutsche Automobilgeschichte. Musste man den Polo-Motor noch beim Start mit einem Choke (der Ziehstift war Standard) bei Laune halten, betätigt man heute beim Mini in der Mittelkonsole einen Kippschalter, und das Cockpit leuchtet in bester Raumschiff-Enterprise-Manier auf.

Kein Motorengeräusch, gutes Drehmoment und faszinierende Beschleunigung – EIN E-AUTO im Praxistest

Aber ist das Auto eigentlich gestartet? Diese Ruhe, kein Motorgeräusch, kein Klappern (wie im Polo) – nichts. Dass ein Elektroauto kein Getriebe hat, sondern nur einen (Schalt-)Hebel mit den Modi P, R und D – damit kommt jeder gleich zurecht. Das erste Mal im D-Modus, Gas geben – und der Wagen rauscht los. Man hört nichts, das typische Elektroauto-Feeling begeistert – diese Ruhe, diese Entspanntheit beim Fahren. Und wer ein bisschen auf Drehmoment steht, der hat selbst an kleinen Stromern seine Freude.

Umdenken von Benzin auf Strom

Die Beschleunigung ist faszinierend. Doch aufgepasst, genau das kostet – ähnlich wie beim Vergasermotor – Energie. Genau hier liegt die größte Herausforderung für den Sprit-Routinier: das Umdenken von Benzin auf Strom. Wenn sich die Benzinnadel langsam der Null nähert, tankt man kurz. Mit einem E-Auto heißt es hingegen „fahren, rechnen und Logistik beherrschen.“ Das hängt sowohl mit dem eigenen E-Auto als auch mit der aktuell vorhandenen E-Infrastruktur in Deutschland zusammen. Früher „schluckte“ das Auto mit bollernder Heizung oder Klimaanlage einfach mehr. Nicht anders ist das heute mit einem E-Auto.

Das Display mit Reichweite und Stromverbrauch zeigt es gnadenlos an: Neben der Beschleunigung fressen Annehmlichkeiten wie Klimaanlage, Sitzheizung oder Gebläse die geladene Batterie auf und verringern die Reichweite. Zudem scheint die von den Herstellern angegebene maximale Reichweite selbst bei ökonomischster Fahrweise nicht hundertprozentig realistisch. Und wenn dann der Akku nur noch 50 Prozent anzeigt, wird der eine oder andere doch nervös. Hier dürfte sich jeder Fahrer analog zum Umgang mit seinem Smartphone verhalten – die einen wollen ab 50 Prozent das Ding wieder vollladen, die andern denken sich, es hat ja noch Zeit – der Computer ist mein Freund.

Reisen wollen geplant werden

Wer etwa aus Süddeutschland an die Nordsee fährt, sollte sich vorab informieren, wo er mit seiner Karte/App laden kann und was das kostet. Die Preissicherheit der regionalen Ladetarife ist unterwegs nicht gegeben. Wer längere Strecken zurücklegt, sollte entsprechend ausgerüstet sein. Etwa mit einem Ladeschlüssel/einer Karte des Berliner Unternehmens Plugsurfing. Damit hat man Zugang zu Europas größtem Netz von 200 000 Ladestationen – ohne Einzelverträge mit verschiedenen Anbietern. Künftig dürfte das Roaming, analog zum Mobilfunk, Fernreisen deutlich erleichtern – mit fixer Preisstruktur.

Standard: Die Wallbox zu Hause

Letztlich werden die meisten E-Autos wohl erst mal eher als Zweitwagen und als Pendlermobil genutzt werden, sodass Probleme außerhalb der Heimatregion nur für wenige Nutzer relevant sein dürften. Empfehlenswert ist eine KfW-geförderte Wallbox für zu Hause, die das Auto mit 11 kW laden kann. Hier sollte nicht gespart werden, denn das Aufladen an der normalen Steckdose braucht nicht nur sehr lange, sondern kann im schlimmsten Fall zusätzlich auch das Hausnetz überlasten.

E-Auto zu fahren verändert zudem auch das eigene Fahrverhalten. Der Bleifuß verschwindet bei manchem Fahrer, wenn er kapiert hat, dass ein „Fuß vom Gas“ das Auto automatisch verzögert und sanft abbremst, und dabei auch noch die Batterie auflädt (die sogenannte Rekuperation). Wer vorausschauend fährt, spart sich fast das Bremsen – da freut sich nicht nur der Schwabe in mir. CHRISTOPH SCHERBAUM